Wirtschaft und Beruf:
Mitte der 70er Jahre war Venezuela das Land mit dem höchsten
Prokopfeinkommen in Lateinamerika. Ganz wie den meisten üb-
rigen Ländern der Region stagniert das Prokopfeinkommen seit-
her - heute befindet sich Venezuela in Lateinamerika im Mittelfeld.

In der gleichen Zeit sind die Einkommensunterschiede stark ge-
wachsen: In den 70ger Jahren verfügten die reichsten 10% der
Bevölkerung über ca. 32% des Einkommens, 1998 bereits über
44%.

Heute leben ca. 45% der Bevölkerung in Armut, davon 20% in
extremer Armut – mit steigender Tendenz. Der Prozess der Glo-
balisierung stellt daher besondere Herausforderungen an die
Umstellungsfähigkeit der venezolanischen Gesellschaft. Abwehr-
reaktionen auf die Liberalisierung des Welt handels waren hier
schon früh besonders stark. Reformen werden daher in den
seltesten Fällen von "unten" kommen. Daran hat sich bis heute
nichts geändert:

Seit Ende 2002 befindet sich die venezolanische Volkswirtschaft
in einer Krise, wobei der Generalstreik zum Jahreswechsel 2002-
20 03 entscheidend dazu beigetragen hat. Ab dem 21.01.2003
kam die Einführung einer staatlichen Devisen
bewirtschaftung
und die Einführung von Preiskontrollen. Die Devisenzuteilung ist
nach monatelangen Startschwierigkeiten inzwischen effizienter
geworden, ohne jedoch die Bedürfnisse der venezolanischen
Wirtschaft bisher voll zu bedienen.

Die Folgen für die geschwächte, stark importabhängige Rest-
Privatwirtschaft sind dramatisch: – mehr als 50% aller Industrie-
unternehmen sollen nach Angaben des Arbeitgeberverbandes
(einer der Hauptstreiktreiber) im Zeitraum 2000 bis Ende 2003
ihre Tätigkeit eingestellt haben. z.Z. ist noch keine Trendwende
zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit in Sicht, obwohl die Re-
gierung ein staatlich gefördertes Arb
beitsbeschaffungsprogramm
eingeleitet hat.

Eine allgemeine wirtschaftliche Erholung des Landes zeichnet
sich derzeit ab. Einer der lokalen, von der Weltmeinung gänzlich
ignorierten Indikatoren, ist der Verkauf von Automobilen, der im
letzten Quartal um 94% angewachsen ist.

Nur etwa 30% der arbeitsfähigen Bevölkerung stehen in einem
regulären Arbeitsverhältnis, knapp 20% sind arbeitslos oder in
der imformellen Sektor wie Strassenverkäufen beschäftigt.
Arbeitsplätze außerhalb des öffentlichen Dienstes sind Mangel-
ware in Venezuela. Ausserdem sind sie schlecht bezahlt. Die
fehlende Mittelschicht ist erkanntermassen (von der Regierung)
ein wichtiger Faktor, wenn es um die Gesundung einer Volks-
wirschaft geht.


Die Erdölindustrie beschäftigt direkt und indirekt nicht einmal
100.000 Menschen. Einige der Sektoren, die in nennenswertem
Umfang Arbeitsplätze schaffen könnten, wie die verarbeitende
Industrie, Landwirtschaft oder Tourismus, schrumpfen oder
stagnieren. Die Industrien investieren wenig oder gar nicht in die
Weiterbildung ihrer Angestellten und versuchen, sich vor den
ohnehin schon geringen sozialen Abgaben zu drücken. Zumin-
dest in diesen Bereichen ist ein neues, frischeres Denken sehr
von Nöten.

Venezuela ist seit Jahrzehnten vom Erdöl abhängig. Das Erdöl-
einkommen macht über 80% des Exportwerts und rund ein
Viertel des Bruttosozialprodukts aus und trägt rund 50% zu den
Staatseinnahmen bei. Für die Regierung Venezuelas ist die
Erdölpolitik erste Priorität: Sie tritt in der OPEC für hohe, "ge-
rechte" Preise ein und fordert dazu Fördermengenbeschränk-
ungen.
Das Erdöl hat Teilen Venezuelas Wohlstand gebracht, jedoch
auch zu einer Erstarrung von Strukturen beigetragen, unter denen
das Land bis heute leidet. Wie manch andere Erdölländer haben
es auch die Politiker Venezuelas es nicht verstanden, den Öl-
reichtum zu ihrer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen. Lange Zeit schien das seit Anfang der Sechziger Jahre überall in Latein-
amerika herrschende Modell der Importsubstituierung, das im
Schutze hoher Zölle und diriglstischer staatlicher Eingriffe den
Aufbau eigener Industrien begünstigte, in Venezuela erfolgreicher
zu sein als in anderen Ländern, da die negativen Konsequenzen
dieser Politik mit dem Öleinkommen abgefedert werden konnten:

Große Teile der Ölexporteinnahmen wurden in Form von Sub-
ventionen, direkten Einkommen, Sozialleistungen etc. an Unter-
nehmer und weniger an Lohnempfänger weitergeleitet. Im we-
sentlichen flossen diese Gelder in den Konsum. Die Wettbe-
werbsfähigkeit der venezolanischen Industrie war auf diese Wei-
se nicht nachhaltig zu sichern. Seit Mitte der Achtziger Jahre ging
die Investitionsquote drastisch zurück, größere Infrastruktur-
projekte wurden kaum noch in Angriff genommen, der Industrie-
park veraltete zusehends. Selbst grosse renomierte Projekte
können kaum zur Behebung struktureller Probleme beitragen.

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